Die Öffentlichkeit, die Medien sind sich sicher: Rolf Liebermann,
der am Samstag im Alter von 88 Jahren verstorbene, war vermutlich der bedeutendste
aller Prinzipale (nicht nur) deutscher Opernhäuser seit 1945. Diese
Einsicht ist in äußeren Erfolgen Liebermanns begründet,
mehr noch in den hohen Ansprüchen, die er an sich und die Welt der
Oper stellte - und ohne Halbheiten erfüllte. Das galt besonders für
ein zeitgemäßes Musiktheater. Dazu einige - auch in Frankfurt
- beherzigenswerte Äußerungen Liebermanns.
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Bei einem Vortrag in Frankfurt 1981 wendet Liebermann sich "gegen die Gralshüter einer bleichen Tradition". "Eine jede Aufführung soll auch Spiegel der Zeit sein. Es ist noch nie ein Meisterwerk gescheitert, weil es Schiffbruch durch Mißbrauch erlitten hat". Er spricht sich dabei gegen Extreme aus. Das ist für ihn "der Elfenbeinturm eines kulturellen Experimentiertheaters", aber auch der "Konsum, der den Opernbesucher Mord, Inzest oder Folter behaglich genießen läßt. Gerade die gewohnten Werke müssen immer wieder neu gesehen werden zur heilsamen Verwirrung".
Liebermann in einem anderen Vortrag: "Die Oper hat die Dimension des Theaters erreicht. Die Oper ist Theater geworden. Wenn sie gesellschaftskritisch ist, geht sie auch die Jugend etwas an". Er war nicht nur kritisch gegenüber dem Intendantentum, sondern auch gegenüber bestimmten Teilen des Publikums. Joachim Kaiser ("Süddeutsche Zeitung") hat seinen Satz überliefert: "Die Leute haben zu wenig Bildung, es fehlt ihnen jegliche Grundlage für dieses Buh". Und: "Manchmal erschrickt man, was das Publikum alles schön findet".
Zur Arbeit eines Intendanten sagt Liebermann: "Solange der Intendant das Gefühl hat, daß er durch eine Kombination von Menschen, von Darstellern und Sängern und Orchester ein eigenes Kunstwerk schaffen kann, hat er eine künstlerische Befriedigung, die sofort schwindet, wenn das nicht gelingt". Eigene Werke hat Liebermann aus tiefster Überzeugung nie im eigenen Haus aufgeführt, dort nie auch selbst inszeniert. Auch dies hat Joachim Kaiser notiert: "Man soll nicht im eigenen Haus Geld verdienen, man soll in jeder Weise den Schein (die Geldnote wie den Anschein) meiden". (jö)