ABSCHIED
BRECHTS LETZTER SOMMER
Ein Film von
Jan Schütte
Deutschland
2000
Pressebetreuung: Susanne Margraf 069/405891-22
www.pegasosfilm.de
Darsteller:
Bertolt Brecht
Josef Bierbichler
Helene Weigel
Monika Bleibtreu
Elisabeth Hauptmann
Elfriede Irrall
Ruth Berlau
Margit Rogall
Käthe Reichel
Jeannette Hain
Wolfgang Harich
Samuel Fintzi
Isot Kilian
Rena Zednikowa
Barbara Brecht
Birgitt Minichmayr
Mann mit Hut
Tilman Günther
Weckwerth
Paul Herwig
Palitzsch
Claudius Freyer
Stab:
Regie:
Jan Schütte
Drehbuch:
Klaus Pohl
Produzenten:
Gesche Carstens, Henryk Romanowski, Jan Schütte
Kamera:
Edward Klosinski
Ton:
Eckhard Kuchenbecker
Musik:
John Cale
Schnitt:
Renate Merck
Kostümbild:
Katharina Wöppermann
Casting
Risa Kes
Redaktion:
Joachim von Mengershausen (federführend)
Cooky Ziesche
Susan Schulte
Andreas Schreitmüller
Produktion: Novoskop Film / Berlin in Co-Produktion mit WDR, ORB,
SWR, ARTE und Studio Babelsberg
Deutschland 2000, Farbe, 91 Minuten, 35 mm, 1:1,85, Dolby SR
Das Drehbuch wurde gefördert von der Filmförderung Hamburg,
dem Filmboard Berlin und dem European Scriptfund.
Die Produktion wurde unterstützt durch die Kulturstiftung der Deutschen
Bank.
Kurzinhalt:
Der letzte Tag eines ungewöhnlichen heißen Sommers. Bertolt
Brecht ist dabei, sein Sommerhaus am See unter den hohen Briken in Brandenburg
zu verlassen, um nach Berlin zu fahren und die kommende Theatersaison vorzubereiten.
Alle Frauen seines Lebens sind da: Ehefrau Helene Weigel und Tochter Barbara,
die Assistentin Elisabeth Hauptmann, die alte Geliebte Ruth Berlau, die
junge, nymphenhafte Schauspielerin Käthe Reichel und die feine Isot
Kilian, deren Körper und Zuneigung Brecht mit ihrem Ehemann, dem kritischen
Philosophen Wolfgang Harich teilt. Sie schwimmen, schreiben, rauchen, sie
essen Pilzgulasch, mit Knödeln, reden, streiten und schweigen sich
an.
Ein Ort, ein Tag, im Jahre '56: der letzte Tag der Sommerferien, einer
der letzten Tage im Leben Brechts. Die sonnige Szenerie ist zauberhaft,
die Handlung alles andere als das. "ABSCHIED" erzählt von Himmel und
Hölle menschlicher Beziehungen, von Liebe, Hass und Leidenschaft,
Ehrgeiz, Eifersucht und Egomanie, von Hoffnung und Verrat: Brecht kämpft
um eine Zukunft, die es nicht mehr geben wird.
Inhalt
Still liegt der Schermützelsee. Hühner gackern, Hunde bellen,
Vögel zwitschern, Enten quaken. Das Radio berichtet von Verhaftungen,
von Vorbereitungen zum Hochverrat, warnt vor der Waldbrandgefahr. Ein schweres,
schwarzes Auto nähert sich.
Idyllisch liegt das Atelier-Häuschen im Birkenwald am See. Rundherum
erwacht langsam das Leben an diesem frühen Morgen im August 1956,
dem letzten Ferientag in Buckow. Nie werden Brecht und seine Frauen so
wieder zusammen kommen. Ein paar Tage später wird der Schriftsteller
sterben.
Der Schweiß steht dem Dramatiker auf der Stirn, noch liegt er
im Bett, stöhnt leise. Tochter Barbara zündelt im Garten, verbrennt
"dem Pappa seine Kappen", wie Helene Weigel entsetzt bemerkt. Schrill klingelt
das Telefon, die Weigel beginnt mit den Vorbereitungen zur Abreise nach
Berlin. Käthe Reichel, die zarte junge Schauspielerin, pflückt
Wiesenblumen im Garten, die sie Brecht aufs Fensterbrett des Arbeitshäuschen
legt. Die Weigel raucht, die Hauptmann arbeitet, Brecht, unrasiert, voller
Wut über sein Fieber, dichtet an der Schreibmaschine.
Das Auto hält, ein junger Mann kommt zur Weigel "Genossin Weigel",
erklärt ihr, er habe eine Pflicht, er müsse Harich verhaften,
wegen Vorbereitung zum Hochverrat. Die Weigel windet sich, schlägt
schließlich ein, sie will ihren Mann schützen vor Aufregungen.
"Was macht die Kunst?": Das soll das Stichwort des Verrats sein.
Ruth Berlau, von Wodka betrunken, stiefelt durchs Dorf, im Großmutternachthemd,
das Brecht einst so liebte, und das ihr nun über die Schulter rutscht,
spricht zu sich selbst. Im Bootshäuschen trifft sie Brecht, der Käthe
erwartet hat. Ruth Berlau hat den ganzen Sommer auf Brecht gewartet. Sie
sehnt sich nach einem Kuss. Der Dichter klagt: "Ich bin noch keine 60 und
sehe fünf Jahre älter aus. Wegen Dir." Die Berlau schießt
zurück: "Wie viele Ziegen hast Du eigentlich zur Zeit?"
Oben, in der Bibliothek wacht Isot Kilian auf, Ludwig Harich, ihr Mann
legt sich nach durchgearbeiteter Nacht zu ihr auf die Couch.
Käthe geht schwimmen im See, steigt nackt wieder ans Land. Käthe
und Brecht liebkosen sich. Als die Weigel, die Hauptmann und Barbara, aneinander
gedrängt, dazukommen, fragt er barsch seine Assistentin nach den Korrekturen.
Elisabeth Hauptmann beginnt zu stottern.
"Was haben Sie denn?"
"Nichts, gar nichts. Sie haben mich nur seit einer Woche zum ersten
Mal angesprochen."
Seine Entschuldigung, mit der er alles aus der Welt schaffen will,
nimmt sie nicht an.
Ihre Hand verweigert sie ihm, lässt ihn einfach auf dem Bootssteg
stehen. "Seien Sie mir nicht böse."
Ein Tag, wie er schöner nicht sein könnte. Brecht schwitzt.
Er hat Fieber. Die Helli, wie nur ihr Mann sie nennt, weiß, was er
hat: Eine Grippe ist es nicht. Es ist das Herz.
Alle sind beschäftigt. Sie rauchen, trinken Kaffee, putzen Pilze,
sortieren Zeitungen, packen Koffer. Und beobachten sich gegenseitig.
Als Käthe auf Brechts Befehl seine Gedichte vorzulesen beginnt,
"Wie es war", unterbricht er sie barsch: "Wie es war I" stehe dort. Und
eins solle sie sich merken als junge Schauspielerin: "weniger Ehrgeiz,
mehr Natürlichkeit." Sie soll das Blatt zerreissen. Sie tut es nicht.
Brecht: "Du hast recht. Es ist wunderbar. Da kann man nichts machen." Am
Fenster stehend, schnuppert er an ihr, hätte sie fast geküsst.
Fast. "Nein! Ich muss arbeiten." Die Shakespeare-Sonette soll sie ihm holen
aus der Bibliothek. "Nein!" sagt sie. Und geht.
Oben in der Bibliothek: Isot Kilian und Harich lieben sich. Brecht steht
in der Tür, guckt zu.
Die Hauptmann formt Semmelknödel, Barbara deckt den langen Tisch.
Brecht wird entdeckt. Harich, der seine Frau mit dem Schriftsteller teilt:
"Wir wissen um Deine Feigheit. Wir lassen sie Dir." Brechts Erwiderung:
"Ich muss hinschauen. Worüber soll ich sonst schreiben? Wir Schwaben
müssen alles wissen." Der böse Blick, den Isot Brecht zuwirft,
verwandelt sich in ein verschwörerisches Lächeln. "Du liebst
das Monster wirklich?" will Harich später von ihr wissen.
Seine Kappe, wo ist seine Kappe: Immer wieder packt Brecht sich an
den Kopf, sucht seinen Schutz. Langsam versammelt die Feriengesellschaft
sich am Mittagstisch. Die Helli und die Elisabeth, Käthe und Barbara,
sie sitzen schon. Ruth Berlau hat sich fein gemacht. Wie eine große
Dame tritt sie auf und schmeißt ihren Stuhl dabei um.
Sie warten. Auf Brecht. Die Spannung wächst. Die Frauen reden von
Liebe und Eifersucht, von der Zeit des Exils. Helli beschwört die
Berlau: "Machen Sie bitte keinen Ärger heute. Es ist sein letzter
Ferientag. Er braucht Ruhe." Ruth Berlau verkündet stolz: "Ich bin
die Hure eines Klassikers." Nicht das Leben, erklärt Elisabeth Hauptmann
ihr, der Alkohol mache sie böse. "Ich hab' Euch alle in meine Familie
aufgenommen," wirft die Weigel den Frauen vor. "Ich hab' Euch alle wie
meine Freundinnen behandelt." Ruth Berlau widerspricht. Immer habe Brecht
in Amerika die Helli als Entschuldigung benutzt. "Komm' lieber nicht, das
stört die Helli." Auch als ihr Kind, ihr gemeinsames Kind, gestorben
ist. "Ich habe ein ganzes Leben für ihn aufgegeben. Ich bin seine
Frau so gut wie sie." Elisabeth Hauptmann fragt, ob sie was fragen darf:
"Was wird eigentlich aus den Eiern?"
Brecht, Isot, Harich setzen sich an den Tisch, zum Pilzgulasch mit
Knödeln. Die Männer unterhalten sich über Politik. Der Philosoph
kann keinen Unterschied erkennen zwischen dem Großen und dem Kleinen,
dem Staat und der Feriengesellschaft:
"Auch hier erstarrt alles in serviler Unterwürfigkeit vor dem
berühmten Autor. Ihr starrt ihn an wie einen Messias. Du suchst Deine
Kappe. Ich suche was anderes. Dir ist es egal, Brecht, ob Sozialismus oder
Weltuntergang. Solange es auf Deine Bühne passt: herrlich!"
Barbara faucht Ruth Berlau an, Brecht brüllt seine Tochter an.
Er will nicht, dass Barbara die Berlau so behandelt. Er will keinen Streit.
Keine Diskussion. Das ist für ihn ein eiserner Entschluss.
Käthe, die junge Schauspielerin, fragt Isot, die junge Nebenbuhlerin:
"Weißt Du, was ein schönes Wort ist, Isot? Generalstreik."
Später gehen die beiden gemeinsam im See schwimmen.
Elisabeth faltet ihre Serviette ordentlich zusammen.
Barbara hält sich an der Limonadenflasche fest.
Draußen knattern die Assistenten auf dem Motorrad heran.
Eine Gruppe von Kindern in Blauhemden kommt anmarschiert, sie wollen
ihrem "großen Heimatdichter" zum Abschied ein Gedicht aufsagen. Brecht
unterbricht, arrangiert sie auf der Treppe, lehnt sich zurück, raucht
seine Zigarre. "Sommer ade." Als ein Junge das Gedicht rezitiert, kommen
Brecht die Tränen.
Ruth Berlau hockt am Bootshaus und pinkelt in eine Limonadenflasche,
die sie in die Küche stellt.
Immer schwerer atmet Brecht.
Elisabeth packt die Manuskripte in den Koffer.
Die Weigel versucht Isot und Harich was zu sagen, bleibt stecken im
Versuch, Brecht zu verteidigen. "Brecht ist in einer sehr schweren Situation.
Er kann nicht so, wie er will. Niemand kann so wie er will."
Mit Elisabeth Hauptmann zusammen verbrennt sie die Papiere, auf denen
Harich Ulbricht den Kampf ansagt.
Brecht bespricht mit den unbeholfenen Assistenten seine Stücke.
Sprechen kann er kaum. Als der Kulturminister anruft, vertröstet er
ihn.
„Wo's kein Geheimnis gibt," lässt er Palitzsch notieren, "gibt's
keine Wahrheit." Und dann: "Man kann seiner Klasse nicht entkommen. Ich
hab's versucht."
Er kann nicht mehr. Legt sich ins Bett. Die Schwester kommt, gibt ihm
eine Spritze. Im dunklen Zimmer greift er Hellis Hand. "Warum sind wir
hier? War das ein Fehler? Warum sind wir nicht woanders." „Woanders ist
woanders. Da wollten sie uns nicht." Er vermisst seine alte Mütze.
Die habe sie verbrannt. Er will seine alte wiederhaben. Gerade weil sie
kaputt war und stank.
Einen Professor will er nicht, seine Ruhe will er haben.
Und Käthe. Wieder liest sie ihm vor. Sein Testament. Er will ihr
viel vermachen. Nehmen will sie es nicht.
Ängstlich warten die andern, auch Harich, im Garten, erleichtert,
als es Brecht etwas besser geht.
Der Chauffeur, von einer Reifenpanne aufgehalten, kommt. Ruth Berlau
bettelt, im Wagen mitgenommen zu werden. Brecht verweigert ihr die Bitte,
Berlau ohrfeigt ihn. Nasenblutend sitzt er im Auto, schmeißt das
blutrote Taschentuch Elisabeth in den Schoß. Sie springt auf: "Lasst
mich raus hier, lasst mich raus!" Einen winzigen Moment überlegt Käthe,
dann übernimmt sie ihren Platz. Alle fahren los, Elisabeth Hauptmann
und Ruth Berlau bleiben zurück.
An der Straßensperre steht wieder der junge Mann, beugt sich
zur Weigel: Sie habe nicht angerufen! Das Auto fährt weiter. Isot
und Harich werden vom Motorrad gerissen und verhaftet. Brecht sieht sich
nicht um.
Hier endet der Film.
Das Leben geht weiter:
Brecht stirbt vier Tage später an Herzversagen.
Harich wird vom Obersten Gerichtshof der DDR zu zehn Jahren Zuchthaus
verurteilt.
Helene Weigel leitet das Berliner Ensemble bis zu ihrem Tod 1971.
Jan Schütte (Regie)
1957 in Mannheim geboren, lebt in Berlin.. Jan Schütte hat Literatur
und Kunstgeschichte in Tübingen, Zürich und Hamburg studiert.
Ab 1979 hat er für das Fernsehen als Reporter gearbeitet und mehrere
kurze Dokumentarfilme fürs Kino gedreht, bevor er 1987 bei seinem
ersten Spielfilm Regie führte: "Drachenfutter" wurde bei den Filmfestspielen
in Venedig gezeigt und mit dem Premio Cinecritica, dem Deutschen Kritikerpreis
und dem Prix Francos Truffaut ausgezeichnet. Für seinen zweiten Spielfilm,
"Winckelmanns Reisen" (1990), der ebenfalls in Venedig gezeigt wurde, bekam
er unter anderem den CICAE Preis. Nach dem Film-Essay "Nach Patagonien"
auf den Spuren von Bruce Chatwin folgte 1994 Jan Schüttes dritter
Spielfilm "Auf Wiedersehen Amerika", der beim Filmfestival in Cannes aufgeführt
wurde und den Bundesfilmpreis, den Bayerischen Filmpreis und die Auszeichnungen
für den besten Film und die beste Musik beim Jüdischen Film Festival
in Frankreich erhielt. Ein Jahr später drehte der Regisseur einen
weiteren Film-Essay, "Eine Reise in das Innere von Wien", und 1998 seinen
vierten Spielfilm, "Fette Welt", der im selben Jahr beim Filmfestival von
Locarno Premiere hatte.
Interview mit Jan Schütte
Wie kam es zu einem Film über Bertolt Brecht?
Der Redakteur Joachim von Mengershausen vom WDR, mit dem ich schon mehrere
Film gemeinsam produziert hatte, sprach mich im Frühjahr 1996 auf
einen biographischen Film über Brecht an. Das Projekt hatte eine komplizierte
internationale Produktionsgeschichte hinter sich und befand sich an einem
Tiefpunkt.
Ich las in Brechts Werken, vor allem in der Lyrik, und einige biographische
Werke.
Dann traf ich in New York Klaus Pohl, der schon mehrere Jahre an Drehbüchern
für das Brecht Projekt gearbeitet hatte, und schlug ihm vor, das Leben
Brechts auf einen Tag zu reduzieren, einen Tag in Buckow, mit allen jungen
und alten Geliebten, mit Harich, der verhaftet werden soll.
Ich muß es Klaus Pohl hoch anrechnen, dass er diese Idee aufgriff,
obwohl er schon so lange an dem Projekt gearbeitet hatte.
Was hat Sie inspiriert, den Film zu machen?
Brecht war gegen Ende seines Lebens in einer komplizierten Phase: alles
war unübersichtlich, unklar, uneindeutig - obwohl der Kalte Krieg
ja eine scheinbare Schlachtordnung vorgab. Ich denke, dass wir heute in
einer ähnlich unübersichtlichen Zeit leben.
Ich finde faszinierend, wie er sich weigert, Entscheidungen zu treffen:
er lebt mit allen seinen Frauen zusammen, mit mehreren schon über
dreissig Jahre. Er weigert sich, sich für eine Frau, und damit für
eine Lebensphase, zu entscheiden, er weigert sich damit auch, sich für
ein Leben zu entscheiden. Was ist er? Politische Person, Künstler,
jugendlicher Liebhaber, alter, kranker Ehemann?
Ausserdem ist es natürlich auch eine sehr deutsche Geschichte,
und Brechts Situation wirft die Frage auf, die er selbst ja so oft in seinen
Stücken diskutiert hat (z.B. im Galileo): wie weit darf ein Künstler
sich mit der Macht einlassen? Schließt er da nicht einen Pakt
mit dem Teufel? Und so klar Brechts Aussagen in seinen Arbeiten sind, so
taktisch hat er sich oft selbst verhalten, vor dem McCarthy Ausschuss genauso
wie am 17. Juni 53 in Berlin.
Was hat sie besonders an dem Projekt gereizt?
Indem wir die Geschichte auf einen Tag konzentriert haben, war die große
Herausforderung, das ganz einfache und das ganz komplexe unter einen Hut
zu bekommen. Es ist ein wunderschöner, leichter Spätsommertag,
eine Idylle, in der die Hölle stattfindet. Alle beobachten alle, die
ganze Zeit, den ganzen Tag. Ich wollte einen unerbittlichen Film drehen,
mit einer gewissen Härte, obwohl der Tag so schön ist. Die Figuren
sollten kompromisslos sein und sehr komplex, und trotzdem sollte es ein
einfacher Film werden.
Klaus hat das Buch in wenigen Wochen geschrieben. Als er mit der ersten
Fassung fertig war, waren wir uns alle einig, dass das Buch großartig
ist. Gleichzeitig aber war der Ton und die Geschichte des Buches vielleicht
zu radikal, zu dunkel für eine reine Fernsehgeschichte. Es gelang
uns jedenfalls nicht, den Film wie ursprünglich geplant innerhalb
des deutschen Fernsehens zu finanzieren.
Am Anfang hatten wir uns vorgenommen, in drei Teilen drei Tage aus dem
Leben Brechts zu erzählen - aus drei Jahrzehnten. Aber niemand war
daran interessiert, gleichzeitig waren wir uns einig, dass der letzte Teil
der ungewöhnlichste und spannendste war. Am Ende von Brechts Leben
ist die Situation am radikalsten, auch am verzweifelsten.
Wie sah die Produktionssituation dann aus?
Am Schluß habe ich die Produktion selbst übernommen und einen
Teil des Films auf dem freien Markt finanziert, durch eine Koproduktion
mit Studio Babelsberg, durch Garantien und Vorverkäufe - und am Schluß
hat uns die Kulturstiftung der Deutschen Bank noch geholfen. Trotzdem war
das Budget sehr beschränkt, 1,28 Millionen $, und wir hatten nur 23
Drehtage zur Verfügung.
Was hat Sie an einem biographischen Film interessiert?
Ein Dokumentarspiel hat mich nicht interessiert. Es war von Anfang
an mein Ziel, dass der Film für jeden Zuschauer funktioniert, ob er
Brecht kennt, oder nicht. Man kann den Film völlig ohne Vorauswissen
anschauen. Die Situation ist ja ganz archetypisch. Und ich habe ABSCHIED
gedreht wie alle anderen Spielfilme auch, wo der Zuschauer die Figuren
ja auch erst auf der Leinwand kennenlernt.
Wieso haben Sie Brandenburg nach Polen verlegt?
Ich wollte für den Dreh eine Einheit schaffen, von Innen und Aussen.
Das ging nur in einem Studiobau. In Buckow selbst hätten wir nicht
drehen können, die „Eiserne Villa“ ist ein Museum, und das Gärtnerhaus
die private Datscha der Familie Brecht. Dazu kam, dass es in Deutschland
keinen ruhigen See mehr gibt, wo nicht tausend Surfer und Motorbooter herumdüsen.
Nach meinen sehr guten Erfahrungen gerade in Hinsicht auf Studiobauten
bei „Auf Wiedersehen Amerika“ habe ich mich an meinen damaligen Koproduzenten
gewandt, Henryk Romanowski. Gemeinsam mit dem Ausstatter Rafal Waldenberger
haben wir ein Jahr ganz Polen durchkämmt und sind schließlich
in Sczcecinek (Klein-Stettin), ca. vier Stunden östlich von Berlin,
fündig geworden. Die ehemals sogenannte „Pommernsche Seenplatte“ ist
eine traumhafte Landschaft.
Gedreht wurde schließlich auf einem geschlossenen Campingplatz,
nicht weit von der Stadt, direkt am See gelegen, eine ideale Mischung aus
Birken und lichten Plätzen. Vier Monate hat es gedauert, das Haus
aus Holz zu bauen. Innen waren die Wände flexibel und auch einen Teil
der Aussenwände konnten wir wegnehmen. Das Ineinanderfliessen von
Innen und Aussen war mir für den Dreh ganz wichtig: so ist das Leben
in einem Sommerhaus. Es ist übrigens alles hergestellt: auch die Stege,
die Wege, die Grünpflanzen, jede Klinke kam aus Berlin.
Viele Details kommen aus dem Fundus des Studio Babelsberg, die natürlich
alle Möbel und Requisiten für einen Film, der 1956 in der DDR
steht, parat hatten.
Für Brecht waren Sommerfluchten immer wichtig. Noch 1932 hat er
sich ein Haus am Ammersee gekauft, und in der DDR Zeit hat er gleich nach
einem Platz ausserhalb Berlins gesucht. Er war immer fleissig, hat viel
gearbeitet, hat aber auch gleichzeitig immer Hof gehalten.
Das Team hat wie eine Sommerkünstlerkolonie auf einem Campingplatz
gelebt?
Meine Auflage war: Das ganze Team mußte fünf Wochen lang
zusammen vor Ort sein. Auch wenn manche Schauspieler oft tagelang auf der
Reservebank saßen, sie mußten immer dabei sein. Da wir ja alle
Drehorte immer zur Verfügung hatten, konnten wir den Drehplan ungewöhnlich
flexibel halten. Wenn tolles Wetter war, haben wir die Badeszenen gedreht,
und bei Regen und Sturm den Abschied. Nur so konnten wir die wenigen Drehtage
optimal nutzen.
Spiel und Leben überschnitten sich oft. Unser Mittagessen fand
an einer nicht unähnlichen Tafel statt wie das große Mittagessen
im Film.
So entstand eine sehr konzentrierte Atmosphäre. Das merkt man übrigens
gerade bei jenem gemeinsamen Mittagessen, dem dramaturgischen Höhepunkt
des Films, der größten und schwierigsten Szene: fast zwanzig
Minuten lang sitzen acht Personen zusammen und reden, mit zwei kleinen
Unterbrechungen. Das habe ich tagelang geprobt, und da hat es sehr geholfen,
das die Schauspieler eben auch sonst tagelang immer zusammen gesessen und
gegessen haben. Diese Vertrautheit bekommt man nicht hin, wenn man die
Schauspieler nur vom Flughafen abholt, an einen Tisch setzt und inszeniert.
Wie haben Sie die Schauspieler gefunden?
Den Sepp als Brecht, das war Klaus Pohls Idee, und die war genial. Die
Figur des Brecht soll im Film ja eine eigene, innere Dynamik bekommen,
und kein Mimikry sein. Es ging mir um eine innere Übereinstimmung.
Beide sind ganz stark süddeutsch geprägt, der Sepp ist Oberbayer
und der Brecht Oberschwabe. Beide haben eine intelligente, intellektuelle
Präsenz, haben eine faszinierende Ausstrahlung auf Frauen, und haben
etwas bäuerlich-verschlagenes. Der Sepp kokettiert ja auch immer mit
seinem „Bauer-Sein“, gleichzeitig führt er wirklich einen großen
Hof am Starnberger See.
Und sowohl Brecht als auch der Sepp haben etwas Grantliges und etwas
ganz Weiches. Brecht muss enormen Charme gehabt haben, er konnte sehr auf
Menschen eingehen, auch um etwas für sich zu erreichen.
Gemeinsam mit Risa Kes habe ich dann die anderen Rollen besetzt, immer
mit dem Blick auf die individuelle Person wie das ganze Ensemble. Und letztlich
haben wir uns auch Gedanken gemacht, wie die Personen beim Dreh miteinander
auskommen.
Warum ist die Filmmusik so sparsam?
Lange habe ich mich schwergetan, mir überhaupt Musik vorzustellen,
bei diesem Film. Dann haben wir versucht, sehr klar vorzugehen: ein Instrument,
nur Klavier, und deutliche Einsätze.
John Cale hat die Musik im Studio zum Film improvisiert. Der Film spielt
an einem Ort, an einem Tag, mit einer Stimmung, aber es kommen sehr viele
Personen vor. Die Musik, die die Stimmung unterstützt, soll da eine
Einheit schaffen wie einen Himmel darüber.
In diesem Moment seines Lebens wußte Brecht, der ja auch ein großer
Zyniker war, nicht mehr weiter: politisch nicht und auch künstlerisch
war er in einer Sackgasse. Am liebsten wäre er Dichter in Italien
gewesen. Seine Situation war verzweifelt, letztendlich war er ein einsamer
Mensch.
Er konnte sich in Herzenssachen nicht entscheiden: nicht für eine
Frau, nicht für einen Lebensstil, nicht für eine Lebensphase.
Helene Weigel hat mal über ihn gesagt: Brecht ist sehr treu, leider
zu zu vielen Frauen. Sein Zynismus war seine Deckung und sein Schutz.
Dass er schließlich an Herzversagen, an einem kranken Herzen
starb, ist tragisch und nicht ohne Ironie.
Klaus Pohl (Drehbuch)
1952 in Rothenburg ob der Tauber geboren, lebt in New York und Berlin.
Nach der Schauspiel-Ausbildung am Max-Reinhardt-Seminar in Berlin hat
Klaus Pohl Engagements an zahlreichen großen Schauspielhäusern
übernommen. Als Autor wurde er mit seinen Theaterstücken zu einem
der meistgespielten Dramatiker der Gegenwart und hat auch etliche Drehbücher
geschrieben.
1999 ist sein Buch „Das Deutschlandgefühl“ erschienen.
Pohl über sein Drehbuch:
Es war immer klar, dass das Ganze ein Wahnsinnsunternehmen war. Sechs,
fast sieben Jahre habe ich mich mit dem Brecht-Projekt auseinandergesetzt.
Ursprünglich sollten ja mehrere Teile gedreht werden. Irgendwann ist
mir Brecht im Traum erschienen und hat gesagt: Lass Dir Zeit. Jan Schütte
ist dann auf die großartige Idee gekommen, alles auf diesen einen,
fast letzten Tag zu konzentrieren. Das ist ja der älteste Traum in
der Literatur: Ein Tag ist wie ein ganzes Leben. Da muss man nicht Zeit
erzählen, erst war das und dann war das, man kann sich ganz auf die
Figuren konzentrieren.
Da haben sich die ganzen Jahre bezahlt gemacht. Wenn ich mich nicht
so lange mit Brecht beschäftigt hätte, hätte ich mich das
gar nicht getraut. Dann hätte mir auch die Souveränität
im Umgang mit dem Stoff gefehlt. Und den Fakten habe ich mich sehr verpflichtet
gefühlt. Mir waren die Figuren als historische Figuren ja sehr vertraut,
nicht nur durch all das, was ich gelesen hatte, sondern auch durch das,
was mir Heiner Müller erzählt hat und Thomas Brasch und meine
Frau, die Sanda Weigel. über ihren Vater ist sie verwandt mit Helene
Weigel, hat bei ihr auch gewohnt, in Berlin und im Sommer in Buckow. Da
saß die Weigel meistens auf dem Bett und hat Ente gegessen. Das war
ihre Art zu entspannen.
Langweilig ist mir in all den Jahren nie geworden. Brechts Leben hat
so viele Aspekte des 20. Jahrhunderts eingefangen, vor allem dieses permanente
Fremdsein, das Ausgestoßensein, und dass er immer gezwungen war,
sich mit Ideologien auseinanderzusetzen. Brecht ist immer politisch. Einen
reinen Privatmann Brecht hat es nicht gegeben.
Die Frauen waren seine Verbindung zur Welt, sie haben ihm die Welt
nahe gebracht. Sie haben ihm auch die besten Stoffe gebracht. Und wie jeder
Dichter war er ja ständig auf der Suche nach Stoffen. Dort draußen
in Buckow, an diesem Tag, ist er in jeder Beziehung von seinem Lebenswerk
umgeben. Was ihn so anziehend gemacht hat, ist klar: Er war ja nicht langweilig
wie andere Männer. Er hat immer Ideen gehabt. Und zusammen haben sie
Figuren erfunden. Sie waren ein Kollektiv. Die Frage der Urheberschaft
haben sie miteinander ausgemacht. Mich langweilen diese Fragen, wer hat
was hervorgebracht. Inzwischen weiß man das ja auch. Aber es war
ein gemeinsames Werk. Und die Frauen haben alle im Zusammenhang mit Brecht
überlebt.
Natürlich hat das einen Preis gehabt. Es gibt kein Leben, das
nicht was in Kauf nimmt. Aber in all den vielen Jahren habe ich Brecht
regelrecht lieben gelernt, als Künstler und als Lebenskünstler.
In all seinen Widersprüchlichkeiten.
Die Schauspieler:
Sepp Bierbichler (Bertolt Brecht)
Seine Eltern waren Bauern und Landwirte in Ambach am Starnberger See,
er selbst besuchte zunächst eine Hotelfachschule. Dreimal wurde er
von "Theater Heute" zum Schauspieler des Jahres ernannt. Als er den "Gertrud-Eysoldt-Ring"
von der Deutschen Akademie für Darstellende Künste erhielt, gab
er das Preisgeld von 20.000 DM bei der Verleihung an Christoph Schlingensief
weiter, weil der einer der wenigen am Theater sei, "der die Kraft hat zum
Stehen und zum Handeln". Am Berliner Ensemble hat Bierbichler 1997 in der
Inszenierung von B.K. Tragelehn die Titelrolle in Brechts "Das Leben des
Galilei" gespielt. "Am Berliner Ensemble ist er die Zentralsonne, um die
alle erloschenen Planeten des Hauses kreisen," schrieb damals "Die Zeit".
"Geboren am 8. Mai 1945, von '48 bis '54 Besuch einer Schauspielschule
in Holzhausen bei München. Danach fünf Jahre Volksschule und
anschließend zehn Jahre Internat im Kloster Ettal, Knabeninstitut
Hl. Kreuz bei den Herz-Jesu Brüdern. Erstes Engagement bei der Würmseer
Sommerfrischlerbühne in Holzhausen am Starnberger See. Entdeckung
durch Pamela Wedekind und Rudolf Noelte mit folgender Vertragsunterzeichnung
am Residenztheater München. Rasanter Aufstieg mit "Der Brandnerkasper
und das ewige Leben". Danach häufiger Auftritt in Kellerbühnen,
dauerhafte Erfolge wie „Code inconnu“ mit Juliette Binoche, "Woyzzeck"
mit Klaus Kinski und "ABSCHIED bzw. Nacht in Buckowal" mit Margit Rogall.
Dazwischen Filmarbeiten mit Werner Herzog gegen Entgelt und Herbert Achternbusch
gegen Kirche und Bayr. Einheitspartei, unterbrochen von Urlauben in Spanien,
Portugal, Frankreich, Schweiz, Grönland und Island und Innsbruck am
Brenner. Zwischendurch Theater in München, Hamburg, Wien, Berlin,
Bochum, Ludwigsburg und Rez. Zwischendurch Fernsehen über Fernsehen,
hinter und vor dem Fernsehen mit Titeln wie "Mein Freund der Scheich",
"Die Glocke vom Mangfall", "Der Urwald ist mein Freund", "Freunde", "Mein
geliebter Feind", "Rosse", "Fliegen am Fenster", "Freier Fall", "Auf jeden
Fall", "Winterschläfer", "Sommergäste", "Herbstmilch", "Frühlingsdepression",
"Du", "Er", "Es" von Polanski, und als letztes mit noch offenem Sendetermin
"Nichts".
Das war`s."
Josef Bierbichler über seine Rolle und die Dreharbeiten:
Was reizt Sie daran, den alten Bertolt Brecht zu spielen?
Der Brecht war erst mal nicht alt, der war 58 an dem Tag, den wir versuchen
herzustellen. Und der Brecht ist nur eine Vorlage, das war mir von vornherein
wichtig. Das Drehbuch ist gut genug, dass man es auch ohne diese Schlüsselnamen
machen könnte. Also auch, wenn der Brecht Huber und die Helene Weigel
Meier hießen. Die Verflechtung von einem Mann und fünf Frauen
ist dem Pohl so gut gelungen, dass es nicht mehr wichtig ist, dass das
der Brecht ist. Wenn das Drehbuch nur vom Brecht handeln würde, dann
hätte es mich nicht interessiert. Ich will nicht erzählen: So
war Brecht am letzten Tag.
Worum geht es dann?
Um einen Mann mit verfallenden Körper und um die Faszination, die
er auf Frauen ausübt. Der Körper war ja wahrscheinlich wirklich
nicht mehr so aufregend. Aber wahrscheinlich konnte er mit seiner geistigen
Konzeption eine Aura erzeugen, die auch junge Frauen wie Isot Kilian und
Käthe Reichel faszinierte. Das ist doch interessant, dass die beide
auch mit dem alten Körper in Kontakt sind. Die vögeln ja noch
miteinander.
Was machte Brecht so anziehend? Sein Erfolg?
Das müssen Sie jetzt als Frau wissen, da kann ich nur spekulieren.
Macht Ruhm wirklich geil?
Man muss sich ja nur mal umgucken. Beispiele für Beziehungen zwischen
alten erfolgreichen Männern und schönen jungen Frauen gibt es
genug.
Natürlich denkt man da schnell an das Klischee Ruhm oder Geld.
Aber dass möglicherweise geistige Fähigkeiten eine Wirkung haben
könnten, vielleicht gerade auf junge Frauen, das ist unsere Geschichte.
Die jungen Frauen waren offensichtlich in der Lage, den Erfahrungsvorsprung,
den einer wie der Brecht hatte, auszubeuten. Die dachten vielleicht, der
erzählt mir was, da kann ich einen Lebensraum überspringen, den
ich nicht selber durchleben muss. Das ist doch eine Qualität.
(Auszüge aus einem Interview von Claudia Voigt und Wolfgang Höbel,
in: Der Spiegel, Nr 43/1999)
Monica Bleibtreu (Helene Weigel)
1944 geboren, lebt in Hamburg.
Ausgebildet am Max Reinhardt Seminar, hat Monica Bleibtreu Engagements
an den führenden deutschsprachigen Bühnen gehabt, darunter das
Burgtheater, die Münchner Kammerspiele und die Salzburger Festspiele,
die Schaubühne und die Freie Volksbühne in Berlin und das Hamburger
Schauspielhaus. Im Film hat sie unter der Regie von Georg Stephan Troller
(„Simone Weill“), Axel Corti („Emigranten“), Hans Jürgen Syberberg
("König Ludwig"), Fritz Lehner ("Mit meinen heißen Tränen"),
Tom Twyker ("Lola rennt") und Josef Vilsmaier ("Marlene").
Monica Bleibtreu über ihre Rolle und die Dreharbeiten:
Erst einmal habe ich das als Last empfunden, die Weigel zu spielen,
hatte das Gefühl, ich muss dem großen Vorbild gerecht werden.
Ich hab' mir ganz viele Fotos angeguckt, um sie kennenzulernen. Ich hab'
sie verstehen können, auch bewundert. Sie war eine kluge, eine dominante
Frau, vielleicht viel härter, als ich es je sein könnte. Und
dann habe ich mich entschlossen, sie so zu behandeln wie eine Rolle. Ich
hab' mir gedacht: Reden kann ich eh' nicht mehr mit ihr. Also hab' ich
sie mit mir selbst gespielt. Das hätte auch Shakespeare sein können.
Mit Brecht hatte sie einen faszinierenden Mann an ihrer Seite. Der Schmerz
über seine vielen Beziehungen, der ist zu diesem Zeitpunkt, wo der
Film spielt, schon vorbei. Sonst wäre sie ja irre geworden. Aber bei
der Arbeit, da wird sie sehr eifersüchtig gewesen sein, da liegt der
Hauptschmerz. Brecht hat ja in jeder Beziehung was anderes gesucht und
gefunden. Die Weigel hat er lange nur als Hausfrau gesehen, erst später
als Schauspielerin. Sie wollte immer mal wieder weg von ihm und er hat
sie immer wieder gewonnen.
Brecht war ein Mann, der sehr genial war. Aber alles, was um ihn herum
kreuchte und fleuchte, hat er inszeniert. Er hat ihnen Leben gegeben, aber
auch genommen. Das war schlimm für die, die das Gefühl hatten,
nur in seiner Umgebung lebendig zu sein. Bei Barbara, seiner Tochter, sieht
man, wie sehr sie den Vater liebt, aber dass sie ihn genauso wenig erreicht
wie die anderen Frauen. Er kümmert sich nicht um sie, das muss die
Weigel übernehmen.
Das Drehbuch hat mich sehr fasziniert, das ist wirklich gut geschrieben,
mit großer Konsequenz. Es gefällt mir, dass es da keine spektakulären
Szenen gibt. Die einzige, die ausflippt, ist ja die Berlau. Die Weigel
hat vieles unterm Deckel gehalten.
Margit Rogall (Ruth Berlau)
Ausbildung an der Staatlichen Hochschule in Frankfurt am Main, ab 1970
kontinuierlich Theater gespielt in Wiesbaden, Heidelberg, Basel, Bonn,
Köln, Bremen und in Aachen inszeniert. Allerdings: Wenn man inszenieren
will, muss man entweder reiche Eltern haben oder 20 Jahre alt sein oder
eine starke Lobby haben. Meine ständige Angst, zu verhungern, hat
mich immer in feste Verträge gehen lassen.
Seit 1996 in München "fester" Gast in München, am Residenztheater.
"
Gefilmt? "Noch nie, abgesehen von anderthalb Drehtagen "Bella Block".
Ich bin auf meine lange Theatererfahrung stolz. Dass ich bei Jan Schütte
die Berlau machen durfte, erscheint mir immer noch als Geschenk.
Margit Rogall über die Dreharbeiten und ihre Rolle:
Das Drehbuch ist so geschrieben, dass die Berlau einen anspringen würde,
auch wenn man nichts von ihr wüßte. Für einen Schauspieler
ist das ein gefundenes Fressen.
Ich bin ganz unschuldig an die Rolle rangegangen. Gott sei Dank wusste
ich nicht so viel über sie, ich hatte überhaupt keine Zeit, mich
gründlich vorzubereiten. Sonst hätte ich versucht, so zu sein
wie die Berlau. Und das hätte nur schief gehen können. Ich bin
an sie rangegangen wie an eine Rolle, eine fiktive Figur.
Natürlich habe ich sie gekannt, jeder beim Theater kennt die Berlau,
in den Theaterkreisen gilt sie als interessanteste Frau um den Brecht,
als erotischste Beziehung. Ich glaube, sie war überzeugt, dass sie
die wahre, die große Liebe war von Brecht. Sie ist ihm ungeheuer
auf den Leim gegangen, er hat sie ja nicht los gelassen. Zu der Zeit, wo
der Film spielt, war das eigentlich schon vorbei. Aber für die Berlau,
die eine wahnsinnige Treue hatte, war es nicht vorbei. Auch nach Brechts
Tod nicht. Auch später hat sie Hof gehalten wie die richtige Witwe.
Was sie an Brecht fasziniert hat? Vielleicht brauchte sie diese merkwürdige
Nicht-Bindung. Wenn sie nicht eine so ungeheure Kraft gehabt hätte,
auch in der Zerstörung, dann gäb's die Erinnerung an sie nicht.
Elfriede Irrall (Elisabeth Hauptmann)
1938 geboren, lebt in Wien.
Elfriede Irrall besuchte die Schauspielschule Helmuth Krauß in
Wien. Es folgten Engagements in Bonn, Köln, dem Theater in der Josefsstadt
und dem Volkstheater Wien sowie am Schauspielhaus Zürich und dem Thalia-Theater
Hamburg, der Freien Volksbühne und an der Schaubühne in Berlin.
Zu den Kinofilmen, in denen sie mitgespielt hat, zählen "Herr Puntila
und sein Knecht Matti" (1955), "Hasenjagd" und "100 Jahre Brecht".
Elfriede Irrall über ihre Rolle und die Dreharbeiten:
Das Drehbuch hat mich vom ersten Moment an begeistert. Mir hat es gefallen,
dass alle Figuren mit ganz wenigen Strichen skizziert worden sind. Ich
hatte den Eindruck, dass es sehr viel von der Atmosphäre dieser 50er
Jahre eingefangen hat, auch von der Tragikomik der Situation. Es ist ein
Abschied von diesem Freundeskreis, so wird es nie wieder sein.
Freundschaft ist auch für mich, wie für die Hauptmann, etwas
ganz Wesentliches, Freundschaft zu Menschen, die ganz unterschiedlich sind,
was Charakter, Beruf und Nationalität angeht.
Die Hauptmann hat mich fasziniert, weil sie sich als Persönlichkeit
ihre Eigenständigkeit bewahrt hat, trotz der intensiven Zusammenarbeit
mit Brecht. Die Hauptmann war eine sehr zurückhaltende Frau, sie hat
auch nichts verlauten lassen Über ihre persönlichen Gefühle
zu Brecht. Es ist etwas unklar gewesen, was zwischen den beiden war in
den 20er Jahren. Aber eine erotische Anziehung ist da sicher gewesen. Andererseits
hat für sie die intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Schriftsteller
wohl den größten Reiz ausgeübt. Sie war ganz anders als
die Berlau zum Beispiel, die hat am meisten gelitten. Aber so konträr
die beiden sind, die Hauptmann hat sie bis kurz vor ihrem Tod immer besucht,
hat ihr Briefe geschrieben. Wie gesagt, das ist der Reiz an Freundschaften:
dass man nicht nur mit Leuten zusammengluckt, mit denen man sowieso einer
Meinung ist.
Was mich besonders fasziniert hat an Brecht war der dialektische Arbeitsprozess:
der Versuch, auf eine andere Weise miteinander zu arbeiten, dass man nicht
so auf seinem geistigen Eigentum sitzt. Aus der Sehnsucht nach anderen
Lebensformen war die Sehnsucht nach anderen Arbeitsformen entstanden. Die
Hauptmann zum Beispiel konnte viel besser Englisch als Brecht und hat ihm
alle möglichen Texte roh übersetzt. Dass er dann der Berühmte
wurde, hatte auch mit seinen speziellen Qualitäten zu tun. Unsere
Gesellschaft heute greift immer einen Einzelnen heraus: Einer muss der
Star sein, der Autor oder der Regisseur oder ein Schauspieler. Die kollektive
Leistung interessiert heute nicht.
Rena Zednikova (Isot Kilian):
lebt in München.
In der Tschechoslowakei aufgewachsen, ist sie mit 17 Jahren nach West-Deutschland
gekommen. Ausbildung an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover,
dann Engagements in Hannover, München, Tübingen, Bern, zwischendurch
zahlreiche Fernsehrollen.
Rena Zednikova über ihre Rolle und die Dreharbeiten:
Ich komme selber aus dem tiefen, tiefen Kommunismus. Anfangs habe ich
Ost-Berlin deshalb sehr gehasst, das Schmutzige, das Graue, Kaputte, wo
man beim Laufen auf dem Bürgersteig immer nach unten gucken musste,
voller Angst, sich sonst einen Bänderriss zu holen. Aber weil ich
so oft konfrontiert war mit Politik, fand ich gerade das wahnsinnig interessant
an der Rolle, dass sie so politisch angehaucht war. Isot war ja nicht nur
die Geliebte von Brecht, sondern auch die Ehefrau von Harich. Dadurch hat
sie recht gefährlich gelebt. Dann hat Harich sie ausgeliehen an Brecht,
und sie hat mitgemacht. Das war hip: Man würde nicht nein sagen zu
Brecht. Das war mehr als die Erotik der Macht: Sie war verliebt in ihn,
das sieht man an ihren Augen.
Das Drehbuch war sehr rund. Das Sparsame daran hat mir sehr gefallen.
Wenn man an einer Szene arbeitet und es fließt, dann ist es ganz
egal, ob man mit Worten spricht, mit Gesten oder Blicken. Das ist gerade
das Poetische, das Feine daran, dass nicht alles ausgesprochen wird.
Birgit Minichmayr (Barbara Brecht)
1977 in Linz geboren, lebt in Wien.
Nach einer Tanz- und Gesangsausbildung hat die Schauspielerin das Max
Reinhardt Seminar in Wien besucht. Sie ist in Inszenierungen in Bremen,
am Burgtheater und in Bern aufgetreten.
Birgit Minichmayr über ihre Rolle und die Dreharbeiten:
Es hat mich interessiert, wie sich eine Tochter fühlt, deren Vater
so dominant ist und sich dauernd mit anderen Frauen umgibt. Sie musste
ihren Platz ja sehr erkämpfen. Allerdings war damals die Liebe zwischen
Eltern und Kindern sowieso nicht so offen, da war emotional eine größere
Distanz. Die anderen Frauen hat die Barbara nicht akzeptiert. Als Kind
hat man da auch so eine Schutzfunktion: Das darf der nicht mit der Mama
machen. Kinder haben auch so eine Wut im Bauch, wenn sie das nicht bekommen,
von dem sie denken, das es ihnen zusteht. Mit der Berlau hat sie sich allerdings
das schwächste Glied ausgesucht. Die schönste Szene, die tiefste
Szene, ist für mich gewesen, als sie alle am Tisch sitzen und die
Barbara ausfällig wird gegenüber der Berlau und rausläuft,
nachdem der Brecht sie angebrüllt hat. Da sieht man, wie es der eigentlich
geht. Für mich war es der erste Film. Das ist ganz andres als Theaterspielen.
Da reicht schon ein Augenaufschlag, um was auszudrücken, wo man auf
der Bühne Hände und Füße braucht. Jan Schütte
hat immer gesagt: „Mach weniger, mach weniger.“ Und ich dachte: „Ich spiel´
ja gar nicht.“ Vor allem in der Szene, als sie die Pisse trinkt, das war
die größte Herausforderung. Da mußte ich immer mehr zurücknehmen.
Jeanette Hain (Käthe Reichel)
1969 in München geboren, lebt in München.
Schauspielerin werden, das war ihr großer Traum, schon als kleines
Kind. Im Moment studiert Jeanette Hain noch an der Filmhochschule München
Regie, wozu auch Malerei, Gestaltung, Geschichtenerzählen und Schauspielerei
gehört. Seit 1996 hat sie in zahlreichen Filmen gespielt, darunter
„Die Cellistin“ (Sherry Hormann), „Das Trio“ (Hermine Huntgeburth) u.a.m.
Jeanette Hain über ihre Rolle und die Dreharbeiten
Eine Geschichte mit Wurzeln, das hat mir sehr gefallen. Das man so eintauchen
konnte in die Geschichte, in die Zeit. Dabei ist die Geschichte ganz zeitlos,
man hat die Biographien, aber es entsteht was ganz eigenes. Die Käthe
Reichel zu dieser Zeit hat mit unserer Käthe nicht so viele zu tun.
Die reale Käthe war damals in einem ganz anderen seelischen Zustand,
hatte schon einen Selbstmordversuch hinter sich. Ihr eigenes Feuer stand
in großer Abhängigkeit von Brecht. Und ihre Versuche, von ihm
loszukommen, sind gescheitert, er hat sie immer wieder zurückgeholt.
Unsere Käthe ist noch ganz unberührt und ungebrochen, wie eine
Knospe, die gerade aufgeht. Sie liebt den Brecht wirklich, als Mensch,
als Mann, als Künstler, da ist sie auch sehr eigenständig, sagt
nein, wenn sie nein meint. Sie ist ihm mit Neugier und Lust, mit Sehnsucht
und Leidenschaft begegnet.
Samuel Fintzi (Wolfgang Harich)
1966 in Sofia geboren, lebt in Berlin.
Seine Ausbildung erhielt Fintzi an der staatlichen Theater- und Filmakademie
in Sofia, 1989 kam er nach Deutschland. Fintzi hat zahlreiche Engagements
übernommen, an den Schauspielhäusern Bochum, Düsseldorf
und Köln, in Hamburg am Schauspielhaus und am Thalia Theater, wo er
einige Jahre fest engagiert war und hat zwischendurch häufig in Filmen
gespielt.
Samuel Fintzi über seine Rolle und die Dreharbeiten
Da ich aus Bulgarien komme, bin ich mit einem ähnlichen System
wie der Harich aufgewachsen, ich wußte, worum es da geht. Seine politische
Naivität, der Glaube, dass sich das System reformieren lässt,
hat mich daher ein bisschen gestört. Aber seine Energie habe ich sehr
respektiert. Ich halte Harich für einen sehr mutigen Menschen, sein
Verhalten nach der Wende bestätigt das. Brecht war schon ein Vorbild
für ihn, als Dichter, als Denker und als Mann. Harich war wohl selbst
ein Frauentyp, sehr charmant, fast so etwas wie ein Rockstar in der DDR:
er war ein blendender Rhetoriker, sah auch sehr gut aus, seine Vorlesungen
waren immer voll. Und die politische Auseinandersetzung war auch ein Mittel
im Kampf um Isot. Das fand ich gerade spannend: das man kaum unterscheiden
kann zwischen dem Buhlen um die Frau und dem Buhlen um Ideen. Und Harich
war ein Spieler, wie Brecht...
Tilmann Günther (Der Mann mit Hut)
1969 in Halle geboren, lebt in Berlin. Nach dem Besuch der Theaterschule
Hans Otto in Leipzig und der Akrobatik in Berlin, hat Günther in Chemnitz,
Potsdam und Dresden Theater gespielt und hat Filmrollen, z.B. im „Radetzky
Marsch“ (Axel Corti) übernommen.
Paul Herwig (Weckwerth)
1970 geboren, lebt in München. Herwig hat die Hochschule für
Musik und Theater in Hannover besucht, und hat in Hannover und am Residenz
Theater in München gespielt. Seit 1989 ist er in verschiedenen Rollen
im Kino und im Fernsehen aufgetreten.
Claudius Freyer (Palitzsch)
1962 geboren, lebt in Berlin. Nach der Schauspielausbildung am Mozarteum
in Salzburg hat Freyer Engagements u.a. am Landestheater in Salzburg, am
Theater des Westens Berlin und Staatstheater Saarbrücken gehabt. Er
ist in einigen Filmen aufgetreten, zuletzt bei Jean Jaques Annaud („Enemy
at the Gate“).
Der Stab:
Edward Klosinski (Kamera)
1943 geboren, lebt in Warschau. Nach dem Abbruch des Kunststudiums wechselte
er zur Filmhochschule in Lodz. Seit den 70er Jahren hat Klosinski mit allen
großen polnischen Regisseuren zusammen gearbeitet: Krzysztof Kieslowski
(„Drei Farben Weiß“, „Dekalog“), Mit Andrzej Wajda („Chronik einiger
Liebesunfälle“, „Der Mann aus Eisen“, „Der Mann aus Marmor“, „Das
gelobte Land“) Krzysztof Zanussi („Leben für Leben“, „Illumination“).
Auch in anderen europäischen Produktionen hat Klosinski die Kamera
geführt: in Lars von Triers „Europa“ in Rolf Schübels „Gloomy
Sunday“ und Bernhard Wickis „Grünsteinvariante“.
Edward Klosinski über die Dreharbeiten und den Film
Mich hat die Möglichkeit sehr gereizt, einen ganzen Film in der
Natur zu drehen. Der Ort war wunderschön. Nur durch eine andere Kameraeinstellung,
eine andere Situation hat man eine ganz andere Landschaft gehabt. Normalerweise
hat man nach 2, 3 Tagen von einem Motiv die Nase voll. Die Villa war wie
eine Insel. Eine Insel in der DDR, ja, wie die DDR. Jeder hat jeden beobachtet,
die ganze Zeit. Ich komme aus Polen, da war die ganze Situation ähnlich:
Der Künstler mußte mit dem Staat zurechtkommen. Das war nicht
so einfach. Viele haben gedacht: Wenn es die Chance gibt, ein gutes Stück
zu machen, und es nicht total gegen meine Gefühle geht, dann kann
ich auch mit dem Teufel arbeiten. Bei manchen ging das glatt. Andere sind
daran zerbrochen. Es ist kein Zufall, das Brecht in der DDR Zeit als Dramatiker
nichts Interessantes mehr geschrieben hat. Aber seine „Buckower Elegien“
sind wunderschön. Durch den Film habe ich meine puristische Haltung
auch etwas aufgegeben. Früher habe ich Brecht viele Vorwürfe
gemacht, politisch und künstlerisch. Bei den Dreharbeiten, wo wir
auch sehr viel über ihn gesprochen haben, habe ich plötzlich
gemerkt: So einfach war das doch nicht. Was seine Beziehung zu den Frauen
angeht: Das war auch eine Art von Flucht. Er hat Angst gehabt. Und er brauchte
Zärtlichkeit. Eigentlich war er wie ein kleines Kind. Er hat sich
eine ideale Frau vorgestellt und jede seiner Frauen hat ein Stück
dazu geliefert. Zusammen waren sie eine, wunderschöne, ideale Frau.
Die größte Herausforderung für mich als Kameramann war
die Zeit: Ein einziger Tag. Wie kann man vermitteln, das Zeit vergeht?
Die Stimmung ist da ganz zentral. Man spürt, wie die Sonne wandert.
Mit den Darstellern hat die Chemie vom ersten Moment an gestimmt. Nie habe
ich das Gefühl gehabt, ich bin fremd, bin mit meiner Kamera zu penetrant.
Dabei sind da ganz intime Szenen dabei. Vor allem der Sepp Bierbichler
war ein exzellenter Partner. Zuerst dachte ich: Der sieht Brecht doch gar
nicht ähnlich. Jetzt hat Brecht für mich das Gesicht von Sepp
Bierbichler.
Produktion
Novoskop Film Produktion arbeitet seit 1984 und hat alle Filme Jan Schüttes
produziert. ABSCHIED wurde von Gesche Carstens und der polnischen Firma
Film Contract hergestellt. Gesche Carstens hat seit 1980 Aufnahmeleitung,
Casting, Produktionsleitung und Regieassistenz bei zahlreichen Filmen übernommen.
Mit Jan Schütte hat sie bei „Winkelmanns Reisen“, „Auf Wiedersehen
Amerika „ und „Fette Welt“ gearbeitet. Seit 1996 hat sie ihre eigene
Serviceproduktion in Buenos Aires für Produktionen in Argentinien,
Chile und Uruguay.
Film Contract Warschau wurde 1989 gegründet. Die Firma Spielfilme,
Dokumentationen und Werbung. Ihr Präsident, Henryk Romanowski, hat
Jura an der Universität Warschau studiert und die Filmhochschule in
Lodz besucht.
Katharina Wöppermann (Ausstattung)
Geboren 1962 in Wien, lebt mit ihrer Familie bei Köln und in Wien.
Nach der Ausbildung an der Akademie der Bildenden Künste in Wien zur
Bühnenbildnerin, begann Katharina Wöppermann 1993 als Freie Ausstatterin
zu arbeiten und hat neben Filmen von Nico Hofmann, Nicolaus Leytner, Hermine
Huntgeburth u.a. . bei allen Filmen von Jan Schütte die Ausstattung
gemacht.
Katharina Wöppermann über die Ausstattung
Wir haben alles nachgebaut in Polen. Die polnische Crew Baufirma hat
phantastisch gearbeitet. Dadurch, dass das Haus in Buckow früher das
Atelier eines Bildhauers war, war die Höhe gigantisch: 6m hoch! Die
Küche und die Bibliothek haben wir dann etwas größer gebaut,
aber die Proportionen stimmen genau. Brechts Wohnung in der Chausseestraße
in Berlin hat mich sehr inspiriert. Es gibt in der Wohnung in Berlin auch
extrem viele Sitzgelegenheiten, die oft sehr niedrig sind. Bei Brecht hängen
Arbeit und Leben ja immer zusammen. Seine extreme Genauigkeit bei der Auswahl
der Möbel und Objekte, das große Stilbewußtsein, das hat
mir imponiert. Wie das Ganze möbliert ist, so spartanisch und schlicht,
das hat was sehr modernes. Da kommt auch das protestantische durch. Die
Einrichtung hat auch viel mit der Ästhetik seiner Bühnenbilder
zu tun. Da ist viel Strenge drin und Klarheit. Brecht hat irrsinnigen Wert
auf Qualität gelegt,. Seine blaue Wolljacke z. B. ist sehr schlicht,
aber der Stoff ist vom Feinsten.
Renate Merck (Schnitt)
Geboren 1951 in Hamburg, lebt im Odenwald. Nach dem Studium der Ethnologie
und Germanistik 1979 Zusammentreffen mit Elfi Mikesch und Helmut Herbst.
Erste Begegnung mit dem Schneidetisch und Zusammenarbeit mit Elfi Mikesch
an „Was machen wir ohne Tod“. Seitdem hat Renate Merck als freie Cutterin
zahlreiche Dokumentar-, Spiel- und Experimentalfilme geschnitten, „Eine
deutsche Revolution“ und „Die Serpentinentänzerin“ von Helmut Herbst,
„Verführung: Die grausame Frau“ von Elfi Mikesch und Monica Treut,
„40 qm Deutschland“, „Abschied vom falschen Paradies“ von Tevfik Baser,
„Die Jungfrauenmaschine“ von Monika Treut, „Der zynische Körper“ von
Heinz Emingholz, „Im Kreis der Lieben“, „Ein falscher Schritt“, „Das Trio“
von Hermine Huntgeburth. Für Jan Schütte hat Renate Merck alle
Spielfilme und Filmessays geschnitten.
Renate Merck über den Schnitt
Die Figurenkonstellation hat mich sehr gereizt: Wie unterschiedlich
die Figuren mit ihren Leidenschaften umgehen und miteinander. Die Zwistigkeiten
und trotzdem das Verbündetsein – gerade unter den Frauen gibt es da
einen inneren Zusammenhalt, trotz all der Wunden, die da immer aufgerissen
werden, die haben sich ja freiwillig in die Abhängigkeit begeben.
Bei aller Trauer – gerade die Berlau hat ja eine Stärke, die die anderen
nicht haben.
Die Szene am Mittagstisch war die größte Herausforderung
für mich. Ich habe das erst im Kopf zusammengebaut: Wie ist dieser
Reigen zu schließen, mit all den Figuren. Es reden ja vor allem zwei,
aber die anderen dürfen nicht einfach nur als stummer Zwischenschnitt
dazwischen sitzen.
Der Film baut nicht auf Harmonie auf, die Geschichte ist ja nicht harmonisch.
Wir haben versucht, kleine Störungen einzubauen: Wir wollten die Irritation
der Figuren verstärken.
John Cale (Musik)
1942 in Wales geboren, lebt in NY. John Cale galt als Wunderkind: Als
8jähriger spielte er Klavier bei der BBC. Nach dem Studium der Musikwissenschaften
in London, ging er in die USA; und begann Musik zu komponieren, die als
„zu destruktiv“ galt, um gespielt zu werden. John Cale arbeitete mit John
Cage zusammen und gründete mit Lou Reed die legendäre Band „Velvet
Underground“. Er brachte Solo-Alben heraus, schrieb Musik für Nico
und für verschiedene Filme: Jonathan Demmes „Something Wild“ und für
Alex Cox „Sid and Nancy“, für Mary Harrons „I Shot Andy Warhol“ und
„American Psycho“, sowie Julian Schnabels „Basquiat“. Mit Brian Eno produzierte
er u.a. „Songs for Drella“. Von verschiedenen seiner Konzerte machte er
Live-Aufnahmen, im Studio produzierte er „Walking on Locusts“.
Joachim von Mengershausen (federführender Redakteur) über
die Produktion:
Zusammen mit Jan Schütte entwickelte Klaus Pohl ein neues Konzept
. Nicht eine chronologisch angelegte Erzählung, vielmehr sollten die
Highlights dieses Lebens, die angenehmen wie die peinigenden, Struktur
und Duktus der filmischen Erzählung bestimmen.
Klaus Pohl schrieb hinreißend schöne Bücher. Selten
hatte ich das Glück, solche Bücher für eine Produktion in
die Hand zu bekommen. Dennoch entwickelte sich der Prozess der Finanzierung
ausgesprochen schwierig. Die ARD sah sich außerstande, das ganze
Geld aufzubringen, das für das aufwendige Unternehmen nötig gewesen
wäre. Die angesprochenen Förderinstitutionen verhielten sich
zurückhaltend. Da fielen Schütte, Pohl und ich öfters in
verzweiflungsvolle Zustände.
Heute ist es für mich wieder ganz selbstverständlich, dass
mein geheimer Wunsch, ABSCHIED möge auf den Filmfestspielen, die ich
wirklich liebe, nämlich die in Cannes, seine erste öffentliche
Aufführung erfahren, in Erfüllung zu gehen scheint.
Nicht nur die Zuschauer müssen im Film ihre geheimen Wünsche
erfüllt bekommen, auch die, die diese Wunscherfüllungsmaschine
Film herstellen und in Betrieb setzen.
Die Figuren:
1898 Eugen Berthold Friedrich Brecht wird am 10. Februar in Augsburg
als Sohn eines Kaufmanns geboren. 1917 Beginn des Studium an der Philosophischen
Fakultät in München.
1919 Geburt des Sohnes Frank, die Mutter ist Paula Banholzer
1922 Aufführung von "Trommeln in der Nacht" in München und
Berlin. Brecht heiratet Marianne Zoff, begegnet Helene Weigel zum ersten
Mal.
1923 Geburt der Tochter Hanne
1924 Übersiedlung nach Berlin. Geburt von Stefan, des Sohnes von
Brecht und Helene Weigel
1927 Scheidung von Marianne Brecht
1928 Überarbeitung der "Beggar's opera", die Elisabeth Hauptmann
aus dem Englischen übersetzt hat, zur "Dreigroschenoper", die am Theater
am Schiffbauerdamm mit großem Erfolg uraufgeführt wird
1929 Heirat mit Helene Weigel. Carola Neher erklärt er kurz darauf:
"Es war unvermeidlich, aber es hat nichts zu bedeuten."
1930 Geburt der Tochter Barbara
1932 Uraufführung der "Mutter" mit Helene Weigel in der Hauptrolle
1933 Brecht verläßt Deutschland mit der Familie, läßt
sich in Dänemark nieder
1937 Uraufführung des Einakters "Die Gewehre der Frau Carrar"
in Paris mit Helene Weigel in der Hauptrolle. Ruth Berlau inszeniert das
Stück unter Mitarbeit von Weigel und Brecht in Kopenhagen.
1941 Übersiedlung nach Kalifornien in die USA
1943 Brecht schreibt "Schweyk im Zweiten Weltkrieg", "Leben des Gaililei"
wird in Zürich uraufgeführt. Sohn Frank fällt als Soldat
an der Ostfront
1947 Aufführung des "Galilei" mit Charles Laughton in Beverly
Hills. Vorladung vor das Komittee für unamerikanische Tätigkeiten
in Washington. Brecht verläßt die USA
1948 Aufführung der "Antigone des Sophokles" mit Helene Weigel
in Chur, der er zum erstenmal seit zehn Jahren wieder etwas widmet.
1949 Premiere von "Mutter Courage und ihre Kinder" mit Helene Weigel
am Deutschen Theater in Berlin. Rückkehr nach Berlin mit der Tochter
Barbara. Brecht und Weigel bauen nach einem Beschluss des Politbüros
der SED das Berliner Ensemble auf, Brecht als künstlerischer Leiter,
Weigel als Intendantin. Das künstlerische Programm des Theaters hat
Brecht so beschrieben: "1. die gesellschaft als veränderbar darstellen.
2. die menschliche natur als veränderbar darstellen. 3. die menschliche
natur als abhängig von der klassenzugehörigkeit darstellen. 4.
konflikte als gesellschaftliche konflikte darzustellen. 5. charaktere mit
echten widersprüchen darzustellen. 6. entwicklung von charakteren,
zuständen und ereignissen als diskontinuierlich (sprunghaft) darzustellen.
7. die dialektische betrachtungsweise zum vergnügen zu machen. 8.
die errungenschaften der klassik im dialektischen Sinne aufzuheben. 9.
aus realismus und poesie eine Einheit herzustellen." In sein Tagebuch notiert
er: "Ich liebe. Ich mache die geliebte Person produktiv."
1951 Brecht inszeniert am BE "Die Mutter". Er wird mit dem Nationalpreis
1. Klasse ausgezeichnet. Die Oper "Die Verurteilung des Lukullus" von Brecht
und Paul Dessau wird aufgeführt, wegen Formalismus abgesetzt, überarbeitet
und wieder aufgeführt. Ulbricht setzt im Politbüro des ZK der
SED durch, dass ein verlässlicher Genosse "mit Brecht eine ständige
politische Arbeit durchzuführen" hat.
1952 Brecht und Weigel mieten Haus und Grundstück in Buckow am
Schermützelsee.
1953 Brecht wird Präsident des PEN-Zentrums Ost und West. Aufstand
am 17. Juni. In sein Arbeitsjournal schreibt er in Buckow: "der 17. juni
hat die ganze existenz verfremdet... ihre (der arbeiter) losungen sind
verworren und kraftlos,, eingeschleust durch den klassenfeind, und es zeigt
sich keinerlei kraft der organisation... die partei hatte zu erschrecken,
aber sie brauchte nicht zu verzweifeln, nach der ganzen geschichtlichen
entwicklung konnte sie sowieso nicht auf die zustimmung der arbeiterklasse
hoffen. es gab aufgaben, die sie unter umständen, unter den gegebenen
umständen, ohne zustimmung, ja gegen den widerstand der arbeiter durchführen
musste." Vier Tage nach dem Aufstand veröffentlicht das "Neue Deutschland"
den letzten Satz aus einem Brief Brechts an Walter Ulbricht, den Generalsekretär
des Zentralkomittees der SED: "Es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen in
diesem Augenblick meine Verbundenheit mit der Sozialistischen Arbeiterpartei
auszudrücken."
Im Sommer in Buckow schreibt er an "Turandot" und verfaßt die
"Buckower Elegien", die erst 1957 erstmals veröffentlicht werden.
Brecht und Weigel ziehen von Berlin-Weißensee in die Chausseestraße
1954 Johannes R. Becher beruft Brecht in den Künstlerischen Beirat
des Kulturministeriums. Das BE zieht ins Theater am Schiffbauerdamm. Brecht
wird Vizepräsident der Akademie der Künste. Verleihung des Stalin-Preises
für "Frieden und Verständigung zwischen den Völkern". Das
Preisgeld legt er in Franken auf einem Schweizer Konto an. Entwürfe
für das Stück "Leben des Einstein".
Großer Erfolg der Pariser Aufführung von "Der kaukasische
Kreidekreis" Bei der Premiere im BE hatte das Neue Deutschland keine Rezension
gebracht.
1956 Im Januar besucht Brecht in Rostock die Proben zu "Der gute Mensch
von Sezuan", mit Käthe Reichel unter der Regie von Benno Besson. Im
Februar reist er mit Elisabeth Hauptmann zur Premiere der "Dreigroschenoper"
in Mailand, unter der Regie von Strehler. Monatelang ist er krank und schwach,
Klinikaufenthalte bringen keine Besserung. Mit Weckwerth und Palitzsch
bespricht er "in bester Laune uns daher immer wieder abschweifend" die
Aufführung des Stücks "Die Tage der Kommune" in Karl-Marx-Stadt,
überarbeitet den Text. (Das Stück wird nach seinem Tod aufgeführt
und bald darauf wieder abgesetzt.)
10. August Brecht zum letzten Mal bei der Probe am BE.
Am 14. August, dem Tag, an dem er eigentlich zur Kur nach München
fahren sollte, stirbt er an den Folgen eines Herzinfarkts.
Kurz zuvor hat er einem alten Freund eine letzte Verfügung diktiert.
Danach soll Helene Weigel alleinige Erbin bleiben, mit einigen Ausnahmen:
Tochter Barbara soll den Turm in Buckow bekommen. Käthe Reichel das
Haus, unter der Voraussetzung, dass sie, wie zugesagt, am BE ihre Rolle
in "Der gute Mensch von Sezuan" spielt. Isot Killian und ihre Kinder sollen
die Einnahmen aus seinen Songs bekommen. Ruth Berlau erhält 50 000
dänische Kronen, unter der Bedingung, dass sie sich ein Haus kauft,
das nach ihrem Tod die Weigel erbt. Diese wiederum bittet er, "das BE weiterzuführen,
und zwar solange, wie sie glaubt, den Stil halten zu können". Elisabeth
Hauptmann kommt in dieser Verfügung nicht vor. Helene Weigel läßt
Ruth Berlau kurz aus dem Krankenhaus holen, damit sie den Toten noch einmal
sehen kann.
Am 17. August wird er im kleinen Kreise auf dem Dorotheenstädtischen
Friedhof, neben seiner Wohnung, beerdigt.
Am 18. August Staatsakt im BE mit Johannes R. Becher, Georg Lukacs
und Walter Ulbricht.
Helene Weigel (1900-1971)
geboren 1900 in Wien, gestorben 1971 in Berlin, beginnt ihre Laufbahn
als Schauspielerin in Frankfurt am Main, kommt 1922 nach Berlin ans Deutsche
Theater zu Jessner und Max Reinhardt, wo sie sich bald einen Namen als
Charakterdarstellerin macht. "So wie ich aussah und so wie ich angefangen
hatte, ging das alles ins Charakterfach. Und vom Charakterfach ins Mütterfach
zu kommen, ist fast kein Weg im Theater."
Als Ehefrau im Exil ebenso wie als Leiterin des BE war sie, so ein
Zeitgenosse, bekannt für ihre Sparsamkeit und praktische Mütterlichkeit,
ihre Freundlichkeit und Strenge, ihr Organisationstalent, ihren Eigensinn
und ihre Zähigkeit. Im Exil hat sie kaum Gelegenheit, als Schauspielerin
aufzutreten, führt den Haushalt, erzieht die Kinder, sorgt dafür,
dass Brecht in Ruhe arbeiten kann. Als sie einmal, lange nach Brechts Tod,
gefragt wird, was ihr Beitrag zu seinem literarischen Werk sei, hat sie
lachend geantwortet: "Ich habe halt gut gekocht."
Gelegentlich deutete Brecht seine Absicht an, sich von ihr zu trennen.
Sie will sich 1953 scheiden lassen, tut es dann aber doch nicht.
Nach Brechts Tod ließ sie sein Testament erfolgreich anfechten.
Helene Weigel wurde mehrfach mit dem Nationalpreis der DDR ausgezeichnet.
Ruth Berlau (1906-1974)
Mit (zum Teil erfundenen) Reportagen über Radreisen nach Paris
und Moskau erregt die Dänin erstmals Aufsehen. Bekannte Schauspielerin
am Königlichen Theater in Kopenhagen, gründete sie das erste
dänische Arbeitertheater, übersetzte Stücke von Brecht wie
"Die Mutter" und "Die Gewehre der Frau Carrar" und spielte die Anna in
"Trommeln der Nacht", in der ersten dänischen Brecht-Aufführung.
Brecht selbst ist sie 1935 zum ersten Mal begegnet. Zu dieser Zeit ist
sie verheiratet mit einem bekannten und wohlhabenden Medizin-Professor,
ist Stiefmutter seiner vier Kindern, und Mitglied der Kommunistischen Partei.
Nicht lange danach verläßt sie ihre Familie, kümmert sich
um Brechts Gäste, seine Reisen, seine Visa, gab seine "Svendborger
Gedichte" heraus, inszenierte mit ihm zusammen am Arbeitertheater "Die
Gewehre der Frau Carrar" mit Helene Weigel. Sie folgt ihm ins schwedische
und finnische Exil und schließlich in die USA. ("Denn von jetzt ab
warte ich auf dich, wohin auch immer ich komme, und ich rechne immer mit
dir.") Sie hat an mehreren seiner Stücke mitgearbeitet ("Der gute
Mensch von Sezuan", "Der kaukasische Kreidekreis", "Die Tage der Commune"),
hat seine Theaterarbeit in Modellbüchern dokumentiert. Während
Brechts amerikanischem Exil lebt sie in New York, wo er immer wieder bei
ihr wohnt, und wo sie am "Schwejk" arbeiten. Auf ihre Befürchtung,
zu abhängig von ihm, zu unselbständig zu werden, schreibt er
die Geschichte von "Lai-tus Wert": "Lai-tu dachte gering von sich, weil
sie kein großes Werk hervorgebracht hatte (...) Me-ti sagte ihr:
Es ist richtig, du hast noch keine Ware geliefert. Aber das bedeutet nicht,
dass du keine Leistung geliefert hast. Deine Güte wird festgestellt
und gewürdigt, indem sie in Anspruch genommen wird. So erwirbt der
Apfel seinen Ruhm, indem er gegessen wird." Seine Briefe an ihn hat sie
oft mit "Deine Kreatur" unterzeichnet. Sie bekommt 1944 einen Sohn von
Brecht, der kurz nach der Geburt stirbt. In sein Journal schreibt er die
Summe, die er für die Einäscherung und die Urne bezahlt hat:
40 Dollar.
In Berlin, nach der Rückkehr aus dem Exil, lockert sich die Beziehung.
In Buckow, wo sie im Turm wohnt, fängt die Berlau an zu trinken, zu
keifen, die Menschen zu verschrecken. Zwischendurch Aufenthalte in der
geschlossenen Abteilung der Charitee. Nachdem sie Passanten auf der Straße
mit Steinen beworfen hat, kommt sie im August 1955 ins Krankenhaus. In
Berlin stritt sich oft mit der Weigel. Nach Brechts Tod wird ihr Arbeitsvertrag
am BE gekündigt.
Am Abend bevor sie in ein Heim für Verfolgte des Naziregimes gebracht
werden soll, schläft sie mit einer Zigarette ein und erstickt. Beerdigt
wurde sie, wie Brecht, auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof.
Käthe Reichel
1926 in Berlin geboren, kam sie mit 24 Jahren zu Brecht. Ihre erste
Rolle im BE war das Dienstmädchen in der "Mutter". Unter der Regie
von Benno Besson spielt sie 1956 in "Der gute Mensch von Sezuan", das Brecht
der Weigel gewidmet hatte". Käthe Reichel lebt noch heute in Berlin,
wo sie auch am Deutschen Theater gespielt hat.
Isot Kilian (1924-1986)
Sie war von Anfang an am BE dabei, wo sie als Schauspielerin, Mitarbeiterin
der Regie und Dramaturgie arbeitete. Hatte am BE verschiedene Aufgaben,
übernahm zum Beispiel die Organisation von Matineen.
Wolfgang Harich (1923-1995)
Der Philosoph war während des Krieges im kommunistischen Widerstand,
trat 1945 der KPD bei, studierte Philosophie und Literaturwissenschaften
an der Humboldt-Universität, an der er später auch lehrte. Er
arbeitete als Theaterkritiker, war Lektor beim Aufbau-Verlag. Mit einer
Gruppe oppositioneller marxistischer Intellektueller und Philosophen versuchte
er, eine Gegenregierung zu bilden. Weigel nahm gelegentlich an den Sitzungen
teil. Ulbricht war für ihn der Orthodoxeste Anhänger Stalins
im Osten. 1954 fordert Brecht ihn auf, seine Frau für ihn freizugeben.
Lassen Sie sich jetzt von ihr scheiden und heiraten Sie sie in ungefähr
zwei Jahren noch einmal." 1956, kurz nach dem Ungarn-Aufstand, wird er
verhaftet. 1957 verurteilt ihn der Oberste Gerichtshof der DDR wegen "Bildung
einer konspirativen, staatsfeindlichen Gruppe" zu zehn Jahren Zuchthaus,
in Berlin und Bautzen. Nach seiner Entlassung ist er als Wissenschaftler
vor allem für den Akademie-Verlag tätig. Seit den 70er Jahren
widmet er sich der Ökologie. Im März 1990 rehabilitiert ihn das
Oberste Gericht der DDR. Ein Kritiker der Wiedervereinigung, wurde er 1994
Mitglied der PDS. 1965-1974 war er mit Gisela May verheiratet.
Elisabeth Hauptmann (1897-1973)
Zwischen 1923 und 1933 ist sie, die Mitglied der KPD war, an fast allen
Produktionen Brechts beteiligt: "Mann ist Mann", "Aufstieg und Fall der
Stadt Mahagonny", "Die heilige Johanna der Schlachthöfe". "Sie ist
einer der verläßlichsten und tüchtigsten Menschen, die
ich kenne", schreibt Brecht über sie. Nach seiner Hochzeit mit Helene
Weigel unternimmt sie aus Enttäuschung einen Selbstmordversuch. Nach
Brechts Emigration hat sie seine Wohnung aufgelöst, und ist dann selbst
nach Amerika ins Exil gegangen, wo sie als Lehrerin arbeitete und sich
im Kampf gegen den Faschismus engagierte. Nach dem Krieg holte Brecht sie
ans BE, wo sie bis zu ihrem Tod, 1973, blieb. Sie war mehrmals verheiratet,
u.a. mit Paul Dessau.
In Berlin hat sie Brechts Veröffentlichungen als Redakteurin betreut
und war Verwalterin seines literarischen Nachlasses.
Peter Palitzsch
1918 geboren. Nach dem Krieg Dramaturg an der Volksbühne in Dresden.
1948 holte ihn Brecht an das Berliner Ensemble. Zusammen mit Manfred Weckwerth
führte er Regie bei einigen legendären Inszenierungen, darunter
"Der unaufhaltsame Aufstieg von Arturo Ui" (1959). Nach Brechts Tod ging
er in die Bundesrepublik, wo Brechts Werke und Methode weiterhin im Mittelpunkt
seiner Arbeit stand. Nach dem Bau der Mauer erklärte er, nicht in
die DDR zurückkehren zu wollen. 1967 wurde Palitzsch Schauspieldirektor
in Stuttgart, 1972 ging er an die Städtischen Bühnen Frankfurt.
Nach dem Fall der Mauer 1992 wurde er zusammen mit Matthias Langhoff, Fritz
Marquart, Heiner Müller und Peter Zadek in das fünfköpfige
Leitungssteam des Berliner Ensembles berufen für Palitzsch
"die Rückkehr zum Ausgangspunkt".
Manfred Weckwerth
1929 geboren, wurde nach dem Krieg "Neulehrer" in der DDR und schloss
sich einer antifaschistischen Laienspielgruppe an, deren Inszenierung von
Brechts "Die Gewehre der Frau Carrar" von 1951 so erfolgreich war, dass
sie von Brecht nach Berlin eingeladen wurde, wo Weckwerth blieb, als Schüler
und Regieassistent Brechts. Helene Weigel berief Weckwerth, der 1952 der
SED beigetreten war, nach Brechts Tod an die Spitze des Regiekollektivs
am BE. Nach Differenzen mit der Weigel wechselte er 1970 als Regisseur
zum Deutschen Theater, um 1977 schließlich als Nachfolger von Ruth
Berghaus Intendant am BE zu werden. 1991 wurde der Vertrag von Weckwerth,
der als staats- und Brecht-treu galt und von 1982 bis 1990 Präsident
der Akademie der Künste 1990 war, aufgelöst.
Der Ort: Buckow
Eine Stunde östlich von Berlin, in der märkischen Schweiz,
finden Brecht und Weigel auf der Suche nach einem Landhaus "auf schönem
grundstück am wasser des schermützelsees unter alten großen
bäumen ein altes, nicht unedel gebautes häuschen mit einem anderen,
geräumigeren, aber ebenfalls einfachem haus daneben," wie Brecht am
14. Februar 1952 in sein Arbeitsjournal notiert. Im Gartenhäuschen
arbeitet er, in der "Eisernen Villa", in der zuvor ein Bildhauer sein hohes
Atelier hatte, mit großer Fensterfront zum See (die mit Scherengittern
geschützt waren, daher der Name), werden an der langen Tafel Gäste
empfangen. Hier fühlt er sich an die Zeit des Exils in Skandinavien
erinnert, liest Horaz, blickt aus dem Fenster auf Gras und Tannen und wilde
Rosenstöcke , hier findet er, wie er 1954 in einem seiner Gedichte
schreibt, "Vergnügungen".
Nach Brechts Tod hat Helene Weigel den größten Teil ihrer
Freizeit in Buckow verbracht und mit Leidenschaft Pilze gesammelt. Seit
1977 ist das Atelier-Haus, umgeben von Wiese, Frühlingsblumen, Birken
und See, Museum und Begegnungsstätte. Barbara Brecht-Schall und Käthe
Reichel wohnen nebenan.